Veröffentlichung der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA im Wochenmagazin ideaSpektrum Ausgabe 49/04 vom 01.12.2004 Seite 14 und 15

 
"C"-Partei: Bei diesem Christen gnadenlos
Vom unterschiedlichen Umgang mit Martin Hohmann und Michel Friedman

ideaSpektrum Heft 49/04 Seite 14Einem Politiker wird Unrecht getan, und so gut wie niemanden regt es auf. Vor vier Wochen entschied das Bundesparteigericht der CDU, den Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann (Foto links oben) aus der Partei auszuschließen. Grund ist seine Rede am 3. Oktober letzten Jahres, in der er erwähnte, daß bei der Durchsetzung der russischen Revolution von 1917 – bei der auch zahllose Christen umgebracht wurden – in führenden Positionen gottlos gewordene Juden tätig waren. Trotzdem dürfe man aber nicht von den Juden als „Tätervolk“ sprechen. Ebenso sollte man aber im Blick auf das Dritte Reich auch nicht von den Deutschen als „Tätervolk“ reden. Denn es haben nie alle mitgemacht, sondern vor allem die, die sich von Gott losgesagt hatten.

Sein „Tätervolk“-Satz wurde in fast allen Medien verkürzt dargestellt, obwohl Hohmann die Einzigartigkeit des Holocausts herausgestellt hatte. Die Folge war eine unvorstellbare Kampagne – „Hohmann, der antisemitische Hetzer“ – gegen den unbescholtenen Abgeordneten aus Fulda, der sich große Verdienste um die Aufarbeitung des Unrechtes an Juden in seiner Heimat und für das Verhältnis zu Israel erworben hat.

Obwohl sich Hohmann von umstrittenen Passagen seiner Rede distanziert, bekommt er von seiner Partei eine scharfe Rüge und wird in einen anderen Bundestagsausschuß strafversetzt. Obwohl ihn prominente Juden verteidigen, strengt der Zentralrat der Juden in Deutschland ein Verfahren gegen ihn wegen Volksverhetzung an. Die Staatsanwaltschaft lehnt dies ab mit der Begründung, die Hohmann-Rede habe kein geltendes Recht verletzt (ist also weder volksverhetzend noch antisemitisch). CDU-Chefin Angela Merkel erklärt am 5. November letzten Jahres, daß man über die beiden Maßnahmen gegen Hohmann nicht hinausgehen wolle.

Friede Springer rief an und Angela Merkel knickte ein

Doch der Zentralrat der Juden läßt nicht locker. Ebenso allen voran die Springer-Presse. Hohmann: „Friede Springer rief bei Angela Merkel an und drohte, wenn Hohmann nicht rausfliege, werde die Kampagne in ‚Welt' und ‚Bild' wochenlang laufen.“ Angela Merkel knickte ein, auch nach massivem Druck durch CSU-Chef Edmund Stoiber. Es kommt zu einem Parteiausschlußverfahren. Von den fünf Parteirichtern stimmten Anfang November dieses Jahres vier dafür. ideaSpektrum Heft 49/04 Seite 15 Der stellvertretende Vorsitzende, Friedrich-Wilhelm Siebeke, begründete in einem 17seitigen Sondervotum, warum er dagegen ist: Hohmann habe die Rüge seiner Partei akzeptiert, und danach sei nichts Tadelnswertes mehr geschehen. Den Ausschluß halte er für einen „Akt rechtswidriger Doppelbestrafung“. Im übrigen bezweifelt Siebeke, daß durch Hohmanns Verhalten ein Schaden für die CDU eingetreten sei.

Man dürfe es nicht Hohmann anlasten, daß mit einer ARD-Falschmeldung („Abgeordneter nennt Juden Tätervolk“) ein unbegründeter Verdacht des Antisemitismus auf die CDU fallen könne. Von allen großen Tageszeitungen ging nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung ausführlich darauf ein. Ansonsten Schweigen – auch in seiner Partei. Dagegen hat ein führender Wirtschaftsmann in Deutschland, Hans-Olaf Henkel, in seinem Bestseller „Die Kraft des Neubeginns. Deutschland ist machbar“ Hohmann verteidigt: „Man unterstellt ihm einfach das, was man glaubte, das er gesagt haben müßte.“

Bei Friedman lief es anders

Mit einem anderen Parteimitglied ging die CDU anders um. Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Michel Friedman, wurde im Juli letzten Jahres wegen illegalen Kokainbesitzes in zehn Fällen bestraft.
Daß er sich Prostituierte von einer Menschenschmugglerbande besorgt hatte und damit in den Dunstkreis der organisierten Kriminalität geriet, spielte juristisch keine Rolle. Noch bevor der Prozeß gegen die ukrainische Bande begann, gab es schon wenige Wochen nach dem Aufdekken seiner kriminellen Tat eine sogenannte „Welcome back!“-Party. Mit dabei war Angela Merkel.

Paul Spiegel: Friedman verdient eine zweite Chance ...

Kurze Zeit später wurde Friedman Herausgeber im Berliner Aufbau- Verlag, bekam eine neue Talkshow, und während man den Ausschluß des Politikers Hohmann aus der CDU verkündete, fanden sich in allen großen Zeitungen Riesenanzeigen über die neueste Fernsehsendung von Friedman. Unter den Riesenlettern „Unverschämt gut“ ist ein strahlender Friedman zu sehen. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, hatte gleich nach der Kokain- und Sexaffäre seines gerade zurückgetretenen Stellvertreters im letzten Jahr gesagt: „Selbstverständlich hat Michel Friedman eine zweite Chance verdient.“ Er bekam sie sehr schnell.

… Martin Hohmann nicht?

Martin Hohmann aber ermöglichen weder Juden (in Gestalt des Zentralrates) noch Christen (CDU/ CSU) diese zweite Chance. Er schrieb am 10. November an die CDU-Vorsitzende, ob nicht der Ausschluß aus Fraktion und Partei in eine einjährige „Zwangsabwesenheit“ umgewandelt werden könnte. Doch selbst auf diesen für Hohmann ja noch immer schmerzhaften Kompromiß ging Angela Merkel nicht ein. Am 18. November hieß es, es bleibe beim Ausschluß.

Nie zuvor sind CDU und CSU so gnadenlos mit einem ihrer Abgeordneten umgegangen. Dieses Verhalten schadet nicht nur dem Ansehen von CDU/CSU, sondern auch dem Verhältnis zwischen nichtjüdischen und jüdischen Bürgern. Das Empfinden, daß ausgerechnet eine C-Partei einem ihrer am aufrechtesten für Christliches kämpfenden Abgeordneten in gröbster Weise Unrecht getan hat, rumort bei mehr Bürgern, als die CDU-Spitze vermutet. Die sächsische Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann, die dem Vorstand der CDU/CSUFraktion angehört, warf Merkel schon im September vor, daß ihre Entscheidung, Hohmann aus der Fraktion auszuschließen, eine der Ursachen für die Verluste der CDU bei den letzten Wahlen sei.

Ein Schaden für die CDU

Welch einen charakterlich vorbildlichen, geistlich orientierten Abgeordneten die CDU verloren hat, wird aus einer Aussage Hohmanns in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“ deutlich: „Ich habe ein sehr ausgeprägtes Gottvertrauen. Wenn es so gekommen ist, dann ist dies eine Fügung Gottes, mit der ich fertig werden muß. Er hat es zugelassen. Da ich mich in dieser Sache frei von unguten Absichten fühle, wird er mir die Kraft geben, es durchzustehen. Gefühle wie Abneigung und Groll zerfressen nur das eigene Herz und bringen keinen Schritt voran.“

Von Helmut Matthies


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