Erklärung von Fritz Schenk am 05. Dezember 2003

 
Verehrte Mitstreiter der Initiative
Kritische Solidarität mit Martin Hohmann
Manchmal glaubt man, unsere, die deutsche, Welt nicht mehr zu verstehen. Erst im Sommer gab es das große Erinnern an den 50. Jahrestag des Aufstands unserer Landsleute in der DDR, am 17. Juni 1953, gegen das stalinistische Gewaltregime. Dabei wurde das Zitat des kommunistischen "Hofsängers" Kurt Barthel – genannt "Kuba" – wieder erwähnt, das typisch war für die Arroganz der allmächtigen SED-Führung und die intellektuelle Ohnmacht des Volkes: "...Schämt ihr euch auch so, wie ich mich schäme? Da werdet ihr sehr viel und sehr gut mauern und künftig sehr klug handeln müssen, ehe euch diese Schmach vergessen wird...", hatte er den von den Sowjettruppen und ihren SED-Helfern niederkartätschten Aufständischen unter die blutig geschlagenen Nasen gerieben. Daraufhin notierte der unvergessene Bertold Brecht in seinen "Buckower Elegien" (den Mut, es noch zu seinen Lebzeiten zu veröffentlichen hatte auch er nicht) in seiner für ihn typischen Versform: " ...Das Vertrauen der Regierung Verscherzt.../Und es nur durch verdoppelte Arbeit zurückerobern...Wäre es da/Nicht doch einfacher, die Regierung/Löste das Volk auf und/Wählte ein anderes?"

Nun stehen wir vor dem Winter dieses Erinnerungsjahres und haben ein gesamtdeutsches Problem von Meinungs- und Gewissensfreiheit. Die Unionsführung hat verfügt, wie wir eine Rede zu lesen und zu beurteilen haben – und nur darum geht es den Initiatoren und Unterstützern der "Kritischen Initiative"! Wer das Führungsdiktat nicht einsieht, wird, wie der Abgeordnete Hohmann, geschasst. Die größere Hälfte der in Meinungsumfragen ermittelten Unionsmitglieder hält das Vorgehen der Parteiführungen gegen Martin Hohmann für undemokratisch bis rechtswidrig und hat sich in Anzeigen und Tausenden von Zuschriften namentlich der "Kritischen Solidarität mit Martin Hohmann" angeschlossen. Ihnen allen will der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Bosbach, nun "die Kante zeigen". Wie soll das geschehen? Haben wir nun "Rollkommandos" in den Ortsverbänden und örtlichen Untergliederungen der Union zu erwarten, die uns die "Kanten" nicht nur zeigen, sondern damit (und wie?) auch "aufräumen"? Und wie haben sich die uneinsichtigen Mitglieder gegenüber ihrer Führung zu "bewähren", wie die "Schande" von ihren gedemütigten Gemütern abzuwaschen? Wie "gut müssen sie mauern"? Wie "klug müssen sie handeln", ehe "diese Schmach vergessen wird"? Oder reicht nun auch die hier hergestellte Analogie zu den kommunistischen Sprachverfälschern schon wieder aus, die "Kante" per Weisung wirksam werden zu lassen? Wo überhaupt darf oder soll man anfragen, welcher Vergleich überhaupt noch hergestellt werden darf? Denn: eine neue Mitgliedschaft werden sich die Unionsoberen und Meinungsbestimmer ja wohl genau so wenig wählen, wie Ulbricht 1953 ein neues Volk.

Was ist mit dieser Union geschehen, was mit der deutschen demokratischen Öffentlichkeit? Da wagt es der Parteitagsdelegierte Lennartz, Zweifel am Vorgehen gegen Hohmann anzumelden und das Ausschlussverfahren – wie die Mehrheit der befragten einfachen Unionsmitglieder auch – als undemokratische Überreaktion zu bezeichnen – und schon poltert sein Landesvorsitzender Rüttgers, dass dies der letzte Parteitag gewesen sei, zu dem Lennartz delegiert worden ist. Aha! Die Delegierten werden demnach also nicht satzungsgemäß von der Mitgliedschaft bestimmt, sondern von der allmächtigen Funktionärskaste? Und Rüttgers polterte weiter: "Ich will mit solchen Leuten wie Ihnen nicht in einer Partei sein!" Vorsicht, Vorsicht, Herr Rüttgers, Sie sind wahrscheinlich schon jetzt in der Minderheit. Aber mit Postenvergabe und Pfründenwirtschaft lässt sich der Laden wahrscheinlich doch in Ihrem Sinne zusammenhalten. Nur: dann wird es dünn mit der Mitgliedschaft. Ein weiterer Fall ist der des Recklinghausener CDU-Ratsherrn Hans Knoblauch, der die "Unverschämtheit" besessen hatte, die Hohmann-Rede in der örtlichen CDU-Geschäftsstelle auszuhängen. Donnerwetter! Wo kommen wir denn da hin, wenn die Mitgliedschaft (vom vielgerühmten Wählervolk mal ganz zu schweigen) sich auch noch ein eigenes Urteil bilden sollte über das, was nur eine "Führung" beurteilen kann! Also: Raus mit dem Kerl! Hans Knoblauch ist seinen Posten los - so sieht ein straffer Führungsstil aus! Und nur der kommt bei der Mehrheit der angepassten Presse an. Beweis: Frau Merkel hat nach diesem Parteitag und den statuierten Exempeln Edmund Stoiber nun endlich im Wettlauf um die Kanzlerkandidatur der Union überholt. Also: Unsere Initiative, unsere Sicht der Dinge, der "Staub von gestern"? – rückwärtsgewandte Wortklauberei von Erzkonservativen, von Ultra-Rechten gar?

Nach Erscheinen unserer letzten Anzeige in der "Welt am Sonntag" vom 30. November war noch einmal eine große Anzahl von unterschriebenen Solidaritätsbekundungen eingegangen. Inzwischen sind es 5.000 Fax-Zuschriften, Briefe, Karten, E-Mails, Anrufe nicht gezählt. Der Wunsch nach organisatorischer Bindung wird immer lauter. Der kleine Initiatorenkreis braucht Zeit, die eingegangenen Zuschriften zu ordnen. Das soll zunächst in einer Adressenkartei geschehen, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, Kontakt untereinander aufbauen und halten zu können. Eine Chance bietet allerdings die neue Technik: Seit Einrichtung dieser web-Seite haben uns mehr als 30.000 Interessenten besucht. Unseren älteren Mitstreitern empfehlen wir, nehmen Sie die Hilfe Ihrer Kinder und Enkel in Anspruch. Lassen Sie sich die Texte ausdrucken, geben Sie sie weiter. Halten Sie Kontakt zu den Orts- und in den Ortsverbänden.

Daher zum jetzigen Zeitpunkt vor allem dies: Von Martin Hohmann wissen wir, dass er sein Recht auf allen ihm zur Verfügung stehenden juristischen Wegen suchen wird. Er wird die CDU weder freiwillig verlassen, noch andere Verbindungen suchen oder sich von diesen vereinnahmen lassen. Das sollte auch unser Verhalten bestimmen. Die meisten von uns sind einen langen Weg in der Union gegangen. Kapitulieren oder Resignieren ist nicht unsere Sache. Daher weiter im Sinne der "Kritischen Solidarität".

Eine Entschuldigung ist nachzureichen: Angesichts der vielen Zuschriften ist es uns (insbesondere mir) nicht möglich, alle Post zu beantworten. Auch zusätzliche Telefone können wir nicht schalten – aber es geht keine Information verloren!

Für den Initiatorenkreis: Ihr Fritz Schenk


zurück